Kapitel 5

Doppelgängerin

Jeanne Wolf

Wo soll ich anfangen? Meine Mama Viktoria entschied nach meiner Geburt, es ruhiger anzugehen und mehr für mich und meinem Bruder da zu sein.


Sie reiste nicht mehr um die Welt, machte aber trotzdem Alben. Auf Festivals trat sie noch auf. Damit sie nicht in Vergessenheit gerät. Ich war noch zu klein, um in die Schule zu gehen und genoß die Zeit mit meiner Mama. 


Ich kam irgendwann in die Schule und Mama machte wieder mehr Auftritte. Sie kam mir auch verändert vor. Ängstlich. Panisch. Sogar mehrere Leibwächter und Sicherheitskräfte stellte sie ein. Sie erklärte mir, dass ein Bühnenarbeiter sie immer belästigt und mit dem Leben bedrohte. Er wusste sogar Sachen, was keiner von ihr wusste. Zeigte ihr Bilder, wie sie duschte oder den Haushalt machte. Oder meinen Papa traf. Sogar von mir hatte er Bilder gezeigt. 

Im Müll fand ich immer wieder Bilder, wo auf ihrem Kopf eine Zielscheibe gemalt war. Ich redete mit meinem Papa und er redete mit meiner Mama. Mama war böse auf mich und schimpfte mich aus. Immerhin sei es privat gewesen. Ich zeigte Papa die Bilder mit der Zielscheibe und die Drohbriefe. Neuerdings gab es auch noch erotische Briefe, wo der Bühnenarbeiter schrieb, wie er Mama missbraucht und anschließend genüßlich tötet. 

Ich hatte große Angst und wollte, dass Papa Mama hilft. Papa überredete Mama, zur Polizei zu gehen und sich dort Hilfe zu suchen. Ihr Chef hatte zwar den Kerl entlassen, aber dadurch wurden die Briefe und Bilder immer aggressiver. Ich weiß noch, wie Mama sich bei Tante Kaithy ausheulte. Die eine enge Freundin von ihr ist. Und eine Chefin der Unterwelt. Sie versprach ihr Maßnahmen einzuleiten. 

Aber keine Hilfe konnte sie vor dem Stalker retten. Ich war 10 Jahre alt, als mein altes Leben endete. Es war ein Schultag. Nach der Schule kam ich nach Hause und entdeckte, dass die Haustüre aufgebrochen war. Von den Leibwächtern und beschützenden Ganoven war keine Spur. Ich schaute überall nach und entdeckte die Leichen der Beschützer. Mir lief eine Gänsehaut über den Rücken und ahnte, dass etwas Schlimmes im Haus passiert sein muss. Da die Cousinen nicht da waren, nahm ich einen Stock, um beim Türe öffnen die Spuren nicht zu vernichten. Natürlich war es dumm von mir, immerhin könnte der Typ noch im Haus sein. Das wurde mir erst später klar. 

Ich öffnete die Türe und sah zurerst überall Blut auf dem Boden. An den Fenstern waren blutige Hände, als hätte jemand stumm um Hilfe gerufen. Ich unterdrückte meinen Kummer und Tränen. Mama konnte nicht mehr leben. Etwas zerbrach in mir. Ich hörte nichts und folgte dem Blut bis ins Schlafzimmer von Mama. 

Sie lag gefesselt auf dem Bett und ihr Mund war zugeklebt. Ihre Augen waren glasig und starrten leblos die Decke an. Ich war so geschockt, dass ich vergaß zu schreien oder zu weinen. In ihrer Brust steckte eins unserer Küchenmesser und überall hatte sie Stichwunden. Das Blut tropfte auf dem Boden von der feuchten Bettdecke. 

Auf einmal packte mich jemand von hinten und zerrte mich in mein Zimmer. Der Typ war blutverschmiert und leckte mit seiner Zunge über die Lippen. 
"Wenn du schreist, bringe ich dich wie deine Mutter um. Zieh dich aus und lass mich meine Spaß mit dir haben", sagte er mit eisigen Augen.
Ich nahm meine Nachttischlampe und trat ihn ins Schienbein, bevor ich ihm die Lampe überm Kopf zog. Natürlich nahm ich weinend meine Beine in die Arme und rannte aus dem Haus. Zufällig rannte ich Kaithy überm Weg und erzählte ihr weinend, was ich ihm Haus gesehen und erlebt habe. Dazu dass ich ihre Männer Tod vorfand. 

Sie wurde sauer und bat mich, zu ihren Cousinen zu gehen und die Polizei zu rufen. Wütend sah ich sie in mein Haus gehen und den Mörder meiner Mutter auf den Schultern raustragen.
"Sag den Cops, ich kümmer mich persönlich um den Typen. Er wird mehr als leiden. Ich werde ihm persönlich die schlimmsten Foltermethoden an ihm zeigen", sagte sie und pfiff. 
Drei Männer sprangen aus dem Busch und fesselten den Typen. Sie gingen mit ihm weg. 

Ich machte meine Aussage und richtete der Polizei die Worte von Kaithy aus. Sie  schwitzten auf einmal und sagten mir, sie würden meinen Vater anrufen. Immerhin muss ich irgendwo nun wohnen. 

Ich kam zu meinem Vater und las in der Zeitung, dass Mamas Mörder als Leichenteile auftauchte. Kaithy hatte ihre Worte wahr gemacht. Aber das sagte ich Papa nie.


Heute ist meine Mama ein Geist und singt immer noch.


Sie lebt mit Enzo in Sulani. Er arbeitet in den Sozialen Medien.


Papa hat mit seiner Frau auch zwei Kinder bekommen Die Zwillinge Kaiser und Lilien. Es war sicher mit zwei Kleinkindern sehr anstrengend.


Mein Papa Cayn Black ist heute ein erfolgreicher Arzt im Krankenhaus.


Halia ist eine richtig nette Frau und wie eine Mutter für mich. Sie war all die Jahre für mich da, nachdem meine Mama ermordet worden ist.


Und das bin ich heute. Manche nennen mich das Ebenbild von meiner Mama. Ich sehe ihr nicht nur ähnlich, sondern bin auch musikalisch begabt. Mit dieser Begabung will ich später Geld verdienen. Wie einst meine Mama. 


Mein Bruder Kaiser hasst mich. Ständig macht er mir das Leben schwer und betreibt Cybermobbing auf meine Kosten mit seinen Freunden. Ich bin Gut. Er ist Böse und Gemein. Das beißt sich natürlich auch etwas auf Dauer. Papa möchte ihn nicht anzeigen wegen dem Cybermobbing, weil er glaubt, dass sein Sohn sich immer noch bessern kann. Aber ich glaube es nicht. Inzwischen habe ich keine Sozialen Netzwerke mehr und es stört mich nicht. Natürlich bekomme ich immer wieder von Freunden gezeigt, was sie so über mich schreiben. Aber ich nahm mein Schicksal in die Hand und zeigte ihn mit Halia zusammen an. Immerhin hat sie mich adoptiert und ist so gleichgestellt wie mein Papa. Papa regte sich auf, aber ich erklärte ihm, dass ich mir das Ganze nicht mehr gefallen lassen werde.

Er ließ von mir inzwischen ab nach der Anzeige, leider fand er ein neues Opfer. Die Neue. Im Netz tratscht er immer über sie und demütigt sie mit verschönerten Fotos.


Lilien ist ein Technikfreak und geht öfters mit mir aus. Sie musste erst mit mir warm werden, aber heute sind wir enge Freunde. Wir gehen oft aus. 




Letztens brachten wir die Neue mit und mein Bruder pöbelte wieder rum. Zwei Anzeigen reichen ihm wohl nicht. Ihre Eltern haben ihn angezeigt. 

Wir verschwanden in meinem persönlichen Bereich, wo Männer Zutrittsverbot haben. Ich habe eine eigene Etage in Papas Haus in Brindleton Bay. Unterm Dach. Die Neue ist sehr schüchtern und war total von meinem Plan überrumpelt, bei ihr einen Make-Over zu machen. Seit einer Woche hat sie keine Zahnspange mehr, aber am Rest muss ich mit Lilien arbeiten.
Die Haare haben eine furchtbare Frisur und die Klamotten sind aus Omas Kleiderschrank. Die Hornbrille komplentiert den Look noch.

Also musste sie sich erstmal entkleiden und den schrecklichen altbacken Dutt aufmachen. Ich schlüpfte mit Lilien in Badeanzüge und steckte die Neue in die Wanne. Die langen Haare machten sie alt. Da wir alle Spiegel verdeckt hatten, sah sie nicht, was mit ihr geschah.
"Darf ich deine Haare schneiden?", fragte ich sie vorsichtig.
"Ja. Natürlich. Ich wollte sie schon lange schneiden, aber Oma besteht darauf, dass ich sie lang lasse. Bitte mach eine moderne Frisur daraus, Jeanne", antwortete sie in der Wanne. 
Ich schneide meiner Familie die Haare und wie man sieht, bin ich sogar darin talentiert. Mit Lilien schaute ich mir ein paar Modezeitschriften aus den 60er Jahren an. Die Neue hat eine wunderschöne Figur und das Gesicht für so einen Haarschnitt. 

Halia besorgte Kontaktlinsen in der Stärke der Brille. Im einen Handtuch gewickelt setzte sie sich auf einem Stuhl und wir hatten es natürlich vorbereitet. Damit die Haare nicht den Boden verschmutzen, haben wir alte Zeitungen auf dem Boden gelegt. Ich schaute mir die ausgesuchte Frisur an und machte ein Haargummi an der Stelle, wo ich ein gutes Stück abschneiden musste. Sie gab komische Geräusche von sich, als ich dabei ziehen musste.
"Willst du es weiter machen?", fragte Lilien.
Die Neue nickte und war erschrocken, als 3/4 vom Haar runter war.
"Ich habe keine Kopfschmerzen mehr", sagte sie. 
Ich schnitt die Haare zurecht, föhnte sie und benutzte einen Lockenstab am Schluss. Halia setzte ihr anschließend die Kontaktlinsen ein und erklärte ihr ausführlich die Nutzung und Pflege davon. Weil sie selbst welche braucht. Eigentlich hat Halia eine Brille.

Die arme Neue durfte viel anprobieren. Am Schluss hatten wir das perfekte Outfit gefunden. Es war eine enge Bluse mit Coursage im Stile der 60er mit passenden Rock und alten Stiefeln von mir. Dann ging es ans Schminken und wir befreiten die Spiegel von den Decken. Die Neue ging zu einem großen Spiegel und machte große Augen.
"Das bin ich?", fragte sie verwirrt. 
Aus der jungen Oma war eine moderne Schönheit geworden. Wir haben sie kaum schminken müssen, weil sie eine Naturschönheit ist. 

Zuerst ging ich mit Halia und Lilien runter.
"Und? Klappte euer Frauenprojekt?", fragte Papa.
Mein Bruder schaute skeptisch.
"Ja. Und da kommt die neue Lorelei Walker", sagte ich.
Sie kam runter und den Männern ging die Kladde auf. Lorelei war jetzt eine elegante, junge Frau mit den perfekten Kurven.
"Das ist doch nicht dieses Vogelnest, was ihr dabei hattet. Wo ist das Vogelnest hin?", fragte Kaiser verblüfft.
"Sie steht vor dir. Etwas hier und da. Aus dem Kleiderschrank, was man nicht mehr trägt. Kaum Schminke. Was sagst du jetzt?", sagte Lilien gehässig zu Kaiser.
Er pfiff und sagte:
"Püppi, bitte date mich. So einen heißen Feger habe ich noch nie gesehen."
Lorelei lehnte freundlich ab und wollte gehen, als ihre Oma auf der Matte stand. Sie erstarrte und rechnete schon mit den Schlimmsten.
"Kind, du siehst so schön wie deine Mutter zu Lebzeiten aus. Bitte vergeb mir meine Strenge. Ab sofort kannst du tragen, was du willst", weinte ihre Oma und umarmte sie. 
Wir waren perplex. Sie war immer eine Hexe, aber durch ihre Worte wussten wir nun den Grund. Am Abend erzählte sie uns davon, wie Lorelais Mutter vor drei Jahren verstorben ist. Sie wurde verbittert und ließ es an ihrer letzten Angehörigen aus.




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