Kapitel 17

Depression

Victoria

Die Drillinge waren als Kleinkinder mehr als anstrengend. Sie schliefen sogar im unseren Ehebett. Nur irgendwann wuchsen sie und wir mussten sie daran gewöhnen, im eigenen Zimmer zu schlafen. Wenn sie gegen die abgeschlossene Türe nachts hämmerten und nach uns weinten, mussten wir uns zurück halten. Sie sollten im eigenen Zimmer schlafen. Ohne uns. Anfangs schlief immer einer von uns in ihrem Zimmer im Schlafsack, damit sie keine Angst bekommen. Dann gingen wir immer, wenn sie schliefen. Aber inzwischen ist es ausgeartet. Sie weinen nur noch, wenn Enrico und ich nicht in der Nähe sind. Viele Sitter sind mit den heulenden Kindern überfordert. 


Allgemein hat sich in meiner Verwandtschaft viel getan. Elisabeth und Leon Maxime sind Erwachsene geworden. Cousin Renaulte stellt als junger Erwachsener enorme Ansprüche an seine Umwelt, die keiner erfüllen kann. Dabei ist er nur eine Bürokraft.


Cousin Ulli Goth hat eine Frau gefunden. Es ist die Kollegin Lany Bailey. Ihre Schwester kennt man bereits. Lany ist sehr schüchtern, aber dafür gerne in der Natur unterwegs und taucht gerne. 


Cousin Othon Kalani lebt alleine in seinem Elternhaus, seit seine Eltern verstorben sind. Er ist Gärtner und hat sich für die Magie entschieden.


Meine Kinder wurden zum Glück älter und selbstständig. Eva und Charlotte sind zierliche Mädchen. Maruice hingegen hat einige Pfunde auf den Rippen, seit er älter ist.


Die Drei bekamen ein Make-Over.


Wir beobachteten besrogt, wie die Mädchen Maruice ausschließen. Er ist halb kein Mädchen und kann nichts mit Puppen und Schminken anfangen. Deshalb ärgerte er sie immer. 


Wir versuchten in Spiele die Kinder wieder zu vereinen. Leider führte dies zu mehr Frust.


Touris knipsen immer unser Haus. Es ist so nervig. Können sie nicht den Dom knipsen?


Enrico bestellte sogar einmal peruanisches Essen. Es war wortwörtlich umwerfend gewürzt. Wir ließen es stehen und stellten es in den Kühlschrank.


Unser Familienleben war im Grunde nicht perfekt, aber normal. Die Eltern arbeiten und die Kinder sind soweit glücklich. Aber diese Zeit sollte abrupt enden. Und ich führte mit Enrico eine glückliche Ehe.


Enrico und ich waren zu der Hochzeit seines Cousins im Ausland eingeladen. Während ich lieber das Taxi vorzog, wollte er den Nahverkehr nutzen. Die Hochzeit war wunderschön. William passte auf die Drillinge in der Zeit auf. Die Zweisamkeit war wirklich untergegangen zu Hause. Wir waren immer mit den Kindern zusammen und vernachlässigten unsere Ehe. Im Ausland belebten wir sie mit kleinen Trips und Essen mit Kerzenlicht. 

Dann kam der Tag der Abreise. Zurück zum Flughafen wollte ich das Taxi nehmen und er den Bus. Meine Angst war nicht unberechtigt. Die Bergstraße ist sehr eng und es gab bereits viele Bustote, weil die Busse immer in der Ecke abstürzen. Oder auch mal Autos. Nachdem mein Mann mit dem Bus weg war, packten wir alles ins Taxi und verabschiedeten uns voneinander. 

Auf halber Strecke musste auch ich mit dem Taxi über die gefährliche Bergstraße. Es kam Rauch aus der Richtung, wo wir hin wollten. Kein Auto weit und breit zu sehen. Das Taxi stoppte plötzlich und der Fahrer sagte:
"Nur bis hier und nicht weiter. Es sieht nach einem schweren Unfall aus."
Wir kamen aus dem Taxi und er verschloss es wieder überall. Vorsichtig näherten wir uns geschützt dem Unfallort und sahen den Bus und einen Wagen lichterloh in Flammen. Das hatte sicher keiner überlebt. In diesen Bus war doch mein Mann.

Mir stiegen Tränen in den Augen und ich fiel weinend auf die Knie. In mir zerbrach endgültig etwas.
"Bitte Schicksal. Warum nimmst du mir nur die Menschen, die ich liebe?", weinte ich.
Der Fahrer drückte mich. Hinter uns bildete sich langsam eine Schlange von Menschen und alle beteten für die Seele der Verstorbenen. Ich konnte nur noch weinend in die Flammen schauen und bat den Taxifahrer, dass wir zurückfahren. Irgendwie waren wir dann wieder in der Stadt und standen vor dem Haus von Enricos Verwandten. Ich weinte bitterlich und der Fahrer sah auch nicht glücklich aus.
"In den nächsten Tagen kommt da niemand durch. Sie müssen räumen und die Leichen in die Leichenhalle bringen", sagte er.
Ich stieg aus und der Fahrer holte die Koffer aus dem Wagen. Enricos Cousin kam aus dem Haus und spürte, dass etwas nicht stimmte. Ich konnte nicht mehr aufhören zu Weinen und der Fahrer räumte meine, unsere Sachen wieder raus.

"Es gab einen schweren Unfall auf der Bergstraße. Der Bus, der vor wenigen Minuten abgefahren ist und ein Auto standen in Flammen", erklärte der Fahrer.
Enricos Cousin bezahlte die Rechnung und der Fahrer fuhr weg. Ich schaute auf Enricos Koffer und seiner Reisetasche und stürzte mich heulend darauf. Sein Cousin nahm mich ebenfalls weinend in die Arme und ließ mich einfach nur Schluchzen und Heulen. Dadurch wurde seine Frau auf uns aufmerksam und er bat zerrte mich von Enricos Sachen weg.
"Rufe einen Arzt für sie. Sie hat mitangesehen, wie ihr Mann verbrannt ist auf der Bergstraße", sagte er nur zu seiner Frau.

Sie brachte mich ins Gästezimmer und der Bruder seines Cousins brachte nur meine Sachen ins Zimmer. Ich war zu nichts in der Lage. Wie gelähmt. Es fühlte sich so an, als hätte man mir das Herz rausgerissen. Ich merkte nicht mal, wie ein Arzt kam und mir etwas zu Schlafen verabreichte. 

Am nächsten Morgen war ich gerädert und alle schauten mich am Frühstückstisch bedrückt an. Alles war nur ein Traum. Ein schlechter Traum. Aber ich war noch nicht zu Hause, sondern bei Enricos Verwandten. Sie hatten meinen Bruder in San Myshuno anscheinend angerufen, denn er war auch da und drückte mich sofort tröstend. 

Warum fühlte ich mich so leer innerlich? Ich spürte nichts bei Williams Anblick. Keine Freude. Nichts. 
"Anne passt auf die Kinder auf. Als ich von dem Vorfall hier hörte, reiste ich sofort an. Ich werde für immer für dich da sein. Auch jetzt, wo du mich brauchst", sagte er.
Ich starrte ihn nur leer an und antwortete nichts. 

Anne reiste für die Beerdigung von Enrico mit den Kindern an. Ich wollte nur alleine sein und schloss mich sogar teilweise ins Gästezimmer ein, um zu Weinen. Nicht mal meine Kinder konnten mich glücklich machen. Dabei brauchten sie mich doch. Ich träumte seit dem Unfall von Flammen, die meinen Mann mitnehmen und zu Asche werden lassen. 

Enricos Leiche konnte man durch die DNA bestimmen. Da alle 70 Leichen gleich aussahen. Auf der Beerdigung kamen viele Freunde seiner Familie. Jeder warf eine schwarze Blume in seinem Grab und sagte etwas. Auch die Kinder mussten es nach der Tradition des Landes machen. Sie weinten bitterlich und hatten zum Glück nicht die Leiche vom Vater gesehen. Das Bild hätten sie nie vergessen. So wie ich seinen Tod.

Danach verlor ich alles. Mein Bruder zog bei mir ein und half mir mit den Kindern. Ich wurde entlassen, weil ich nicht arbeitsfähig war und mir drohte der Entzug der Drillinge. Aber mein Bruder war meine Rettung. Er wurde der Vormund der Drillinge und so blieben sie zumindest in der Familie und gewohnten Umfeld. 

Ich begab mich in eine lange stationäre Therapie, damit ich wieder ein bisschen normal leben kann. Nach vier Monaten wurde ich therapiert entlassen und kam nach Hause. Meine Kinder freuten sich, mich wiederzuhaben. Ich freute mich über die Kinder. 

Mit meinen Bruder ging ich spazieren und setzte mich auf eine Bank. 
"Ich bitte dich, weiterhin die Kinder zu versorgen. Mental bin ich noch nicht bereit dazu. Vier Kinder sind einfach zu viel für mich", sagte ich traurig.
"Vier Kinder? Warum vier Kinder?", fragte mein Bruder erstaunt.
"Mein Mann hat mir ein besonderes Geschenk gemacht. Ich bin von ihm schwanger. Es muss im Ausland passiert sein. Ein Kind werde ich bewältigt kriegen, aber nicht vier. Ich habe mir ein Haus in Brindleton Bay angeschaut und werde dort auch hinziehen. Einen Job als Richterin habe ich bereits gefunden und meine Abfindung war auch üppig. Ich brauche Zeit für mich. Ich muss nachdenken. Und das geht nicht, wenn man die Kinder um sich hat. Ich mache es nur, weil es das Beste für sie ist", sagte ich.
"Natürlich werde ich weiterhin der Vormund sein. Die Kinder sind immer noch in ihrer eigenen Therapie, weil sie der Verlust des Vaters schwer traf. Wenn noch die Mutter abhaut, bricht für sie alles zusammen", erwiderte er.
Ich schaute ihn mit Tränen an, weil ich das Gleiche dachte. Aber sie haben es einfach bei ihrem Onkel gerade besser als bei mir. 

Ich zog nach Brindleton Bay und kämpfte einen inneren Kampf. Auf der einen Seite freute ich mich, erneut Mutter zu werden. Aber dieses Kind lernt nie den Vater kennen. Wie soll ich dem Kind erklären, was damals passiert ist?



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kapitel 1

From Rich to Poor

Kapitel 13