Kapitel 6

Oracles Krankheit

Oracle

Ich bekam immer öfters Migränenanfälle und musste immer wieder krankgeschrieben werden. Dazu kam, dass ich auf einmal eine extreme Wesensveränderung durchmachte, die alle von mir vergraulte. Ich schrie nur noch die Leute an und schlug um mich. Alice schützte unsere Kinder, indem sie mich verließ und vor die Türe setzte. Candy und Adrien gingen zu ihren Vater Don nach Sulani und sprachen nicht mehr mit mir. 




Nur Belle blieb bei mir. Ängstlich. Aber treu. Ich musste doch etwas dagegen tun. Dazu bekam ich immer schwerer Luft und hustete hin und wieder Blut. Egal, zu welchem Arzt ich ging, keiner fand beim Röntgen was Verdächtiges. Das Bluthusten schob man auf einem Lungenentzündung, gegen die ich Tabletten bekam. 

Nach drei Jahren quälen war ich am Ende. Ich war kurz davor, gekündigt zu werden, weil ich wegen Krankheit mehr fehlte als anwesend war. Alle schoben meine Migräne, Übelkeit, Bluthusten und starke Abnahme auf Stress. Die Drillinge waren bereits 17 Jahre alt. Und ich wollte Belle nicht alleine lassen.

Also besuchte ich eine neueröffnete Arztpraxis eines Hausarztes. Es war ein junger Arzt und er wirkte sehr kompetent. Als er mich sah und ich vor ihm Blut hustete, war er geschockt. Ich reichte ihm einen Ordner mit zig Diagnosen von Fachärzten und Psychiatern. Er war skeptisch und schaute mich nochmal an. 
"Ich besitze ein MRT. Meine geschulte Arzthelferin soll Sie sofort durchleuchten", sagte er nur.
MRT? Bisher hat mich keiner in diese Maschine geschoben. Da kommen nur Schwerkranke rein. War ich wirklich schwerst krank?

Ich musste anschließend eine halbe Stunde warten, bis alles ausgewertet war. Ich hatte Alice angerufen, damit ich nicht alleine bin, wenn die Ergebnisse kommen. Sie war sofort angereist und der Arzt fragte wegen Datenschutz, ob sie die Ergebnisse mithören darf. Ich nickte bejahend und die Ergebnisse waren erschreckend.
Ich weinte in den Armen von Alice und auch ihr liefen Tränen übers Gesicht. Sie drückte mich tröstend, aber ich spürte, wie sie auch gelähmt war. Alles passte zu einem einzigen Bild.
Ich hatte Krebs. Zuerst nur einen Tumor im Kopf, der durch die Schlamperei der Ärzte übersehen wurde. Er beeinflusste mein Wesen. Dann begann er zu streuen und der neue Arzt fand Tumorzellen in Lunge, Magen, Gebärmutter und Darm. 

"Ich rufe sofort einen Krankenwagen und lasse Sie in eine Fachklinik bringen. Ihr Zustand ist lebensgefährlich. Hier kann ich nicht genau einschätzen, wie lange Sie zu leben haben. Auf der Arbeit lasse ich Sie unbefristet krankschreiben. Am besten hören Sie aber mit der Arbeit auf. In diesem Zustand sind Sie nicht mehr arbeitsfähig", sagte er traurig und voller Mitleid.
"Alice, kümmere dich bitte um Belle. Sie kennt dich", bat ich Alice.
Sie nickte und ging raus. Der Arzt machte alle Papiere fertig und ich wartete im Wartezimmer auf Alice. 
"Ich habe Don angerufen. Er reist sofort mit deinen Kindern an. Und meine Ehefrau Liberty erzählt es den Zwillingen. Ich verspreche dir, ich werde mich um Belle so gut wie möglich kümmern. Wenn sie Schulschluss hat, hole ich sie ab", sagte Alice und drückte mich weinend. 

Nur eine Stunde später hatte ich einer Klinik für Krebserkrankten ein Zimmer und hing an Schläuchen. Die Ärzte sagten mir, es wären Schmerzmittel. Alice und Don hatten Sachen von mir dabei und wussten nicht, wie sie reagieren sollten. Jade, Liberty und die Kinder waren vor der Türe. Ihre Partner wollten die Kinder beruhigen und aufs Bild vorbereiten. Immerhin sieht man die todkranke Mutter nicht jeden Tag in einem schlechten Zustand. 
"Oracle, kann ich etwas für dich tun?", fragte Don besorgt.
"Sei einfach nur für die Kinder da. Das ist alles, was ich mir wünsche. Sie werden euch brauchen", sagte ich schwach.
Er weinte auf einmal. Wir waren wegen den Kindern immer noch Freunde. Alice drückte ihn. Dann kam der Arzt und deutete, dass die Kinder draußen bleiben sollten. Jade und Liberty hinderten meine Kinder, ins Zimmer zu stürmen. 

"Wir haben alle Ergebnisse vom Blut. Und eine Gewebeuntersuchung eines Tumors gemacht. Der Befund ist bösartig. Die Tumore sind auch zu groß und teilweise an unoperierbaren Stellen. Wir haben eine Abteilung für aktive Sterbehilfe. Ohne die Medikamente wären Sie jetzt so gut wie Tod. Gleich kommt eine Schwester und bringt Sie dort hin. Wie wir es vorhin besprochen haben", sagte dieser.
Alice und Don schauten mich entsetzt an. 
"Gibt keine Behandlungsmethoden mehr für sie?", flehte Don verzweifelt.
"Leider nicht. Ihrer Freundin wird es nur in kürzerer Zeit noch schlechter gehen. Und sie ist zu schwach für die anderen Methoden inzwischen. Das würde sie töten. Frau Goth hat selbst entschieden, die aktive Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, bevor sie nur noch im Bett liegt und nichts mehr mitkriegt. Wir müssen nur noch klären, wer die Kosten dafür trägt. Ich kann einen Teil über die Krankenkasse berechnen, aber das ist nicht viel. Die aktive Sterbehilfe wird nicht von ihnen gefördert. Wenn wir morgen den Tod durchführen, wird es Sie 1.500 Simleons kosten", sagte der Arzt.
"Ich übernehme die Kosten", sagte Don traurig." Sie soll nicht leiden, wenn sie es nicht möchte."

Am nächsten Morgen wurde ich von den Schwestern für den bevorstehenden Tod vorbereitet. Ich durfte mir meinen Lieblingspyjama anziehen und der Rest wurde eingepackt von ihnen und Alice übergeben. Die Kinder und Don warteten draußen. Alice kämmte mir die Haare und machte weinend einen Zopf. Ich solle auch im Tode hübsch sein. 

Don kam rein und beide besprachen sich. Jedes meiner Kinder sollte einzeln Abschied nehmen, war mein Wunsch. Wie gewünscht hatte sich Alice auch um einen Bestatter gekümmert, der am nächsten Tag kommen sollte. 

Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis ich alle Kinder einmal weinend geknuddelt habe und mir ihre Entschuldigungen angehört habe. Weinend gingen sie raus und es folgte immer ein anderes Kind. Auch Zoey. Sie sah verheult aus und wollte mich zunächst nicht zum Abschied drücken. Dann stürzte sie aufs Bett und alle Dämme brachen aus ihr raus. 
"Mama, bitte geh nicht. Ich wollte dir damals nicht weh tun", heulte sie.
Ich drückte sie an mich. Sie war auch das letzte Kind. Alle anderen waren bereits dran gewesen. Dann kamen Alice und Don. Wir drückten uns und sie weinten. Ich hörte Sebastian durch die Türe und er kam rein. Sofort fing er an zu Weinen und sagte nichts. Alleine sein Drücken sagte viel aus.

Dann kam bereits die Schwester mit dem Arzt und sie verabreichten mir die tödlichen Medikamente. Sie schickten Alice, Don und Sebastian raus. Ich schlief ein und wachte im Zimmer wieder auf. Vorsichtig stand ich vom Bett auf und sah meine Eltern. Ich sah, wie der Arzt meinen Tod feststellte und rannte zu ihnen.
"Es ist zu früh, mein Kind", sagte Mama weinend.
"Warum musstet du nur so früh sterben? Oma und Opa warten im Himmel auf dich, meine Maus", sagte Papa.
Beide waren wieder jung. 
"Kann ich auch wieder wie 18 aussehen?", fragte ich.
Er nickte und ich wünschte mich 18 in meinem Lieblingskleid. Oma und Opa standen in unserem alten Haus und winkten uns rein. Als ich mit meinen Eltern reinging, schaute ich nochmal zurück und sah nun alle Zimmer heulend neben meinen Bett.


Belle

Vor einem Jahr holte mich Alice aus der Schule ab. Sie wirkte verheult und nicht wie die lebenslustige Frau wie sonst. Und ein großes Taxi fuhr uns. Drinnen waren bereits die Zwillinge und Liberty. Alle sahen verheult aus. Ich setzte mich zu ihnen und der Fahrer machte bedrückt die Türe zu. Es stimmte etwas nicht. 

"Belle, wir fahren zu deiner Mutter ins Krankenhaus. Dein Vater reist mit deinen Geschwistern und seiner Frau an und wohnt im Hotel. Deine Mama rief mich aufgelöst vom Hausarzt an und wollte, dass ich bei ihr bin, wenn sie ihre Diagnose erhält. Belle. Sie wird sterben. Deine Mama hat getreuten Krebs in sämtlichen Organen. Ich kümmere mich um dich, bis du Volljährig bist. Das haben wir bereits geklärt", sagte sie mit Tränen.
Ich reagierte nicht. Alles brach zusammen. Nicht eine Träne kam über meine Wange. Ich war wie gelähmt.
"Mama stirbt?", fragte ich nach.
Alice nickte. Meine Geschwister weinten los und Liberty drückte sie an sich. 

Im Krankenhaus war es alles andere als steril. Die Wände waren bunt bemalt und strahlten Leben aus, obwohl die Patienten in dieser Klinik sterben werden. Es war das Gegenteil davon. Anscheinend sollten sie die letzten Stunden nicht depressiv werden. 

Schlimmer war, dass wir nicht zu Mama durften. Papa hatte von Alice den Ersatzschlüssel für unsere Wohnung bekommen und er hatte Mamas Lieblingssachen mitgebracht. Er wirkte niedergeschmettert trotz seiner Bräune und Muckis. Im Schlepptau waren meine Geschwister und Jade. Während Alice und Don ins Zimmer durften, mussten wir bei Liberty und Jade vor der Türe bleiben. Sie sagten uns, man dort Gespräche für Erwachsene. 

Dann ging alles schnell. Mama kam auf eine andere Station. Hier hingen überall Bilder von lachenden Menschen, Pflanzen und Tiere. Dabei war es die Endstation im Leben. Die Sterbestation. Warum sind die Betreiber darauf so erpicht, dass alles glücklich wirkt? Erneut mussten wir draußen warten und erneut gab es lange Gespräche. Ich kauerte mich heulend auf dem Boden und war ratlos. Warum musste sowas passieren? Mama hätte man retten können, hätte man ihre Erkrankung zeitig erkannt. Jetzt würde sie morgen für immer einschlafen. 

Gretel kam verheult und setzte sich zu mir. Wir drückten uns gegenseitig und starrten nur stumm die Wand an. Die Erwachsenen hatten geregelt, dass wir von der Schule bis zum Wochenende befreit wurden. 

Am nächsten Tag war es so weit. Alice machte meine Mama schön und wir durften alle nacheinander rein. Sogar Zoey war gekommen und hatte sich bei der Uni für den Tag abgemeldet. Die Uni zeigte Verständnis, verlangte aber, dass sie morgen wieder an den Vorlesungen teilnehmen muss. Onkel Sebastian kam als Letztes, weil er im Stau stand. Seine Familie war zu Hause geblieben und wollte die Geschwister für sich lassen. Dann kamen der Arzt und die Schwester. Die Erwachsenen mussten raus und nach einer halben Stunde verkündete der Arzt, dass Mama vom Leid erlöst ist. Wir durften uns nochmal von ihr verabschieden. Am meisten weinte Zoey und fiel auf die Knie. Flehte immer um Verzeihung für die Sachen damals. Ich drückte sie und sah, dass selbst eine Verbrecherin Herz haben kann.

Wir mussten die Wohnung räumen. Sie war beim Mieten mit Möbel gewesen. Aber unsere Sachen mussten raus. Die wenigen Kartons stellte Alice bei sich unterm Dach. Mama hatte Geld in einem Umschlag und da stand mein Name. Sie hatte es für mich angespart, wenn ich eines Tages studieren würde. Und wie wir es feiern. Nachdem ich den Brief in meinem Zimmer gelesen hatte, weinte ich nur noch. Der Brief stammte aus der Zeit vor ihrer Erkrankung.

Mit meinen Geschwistern schauten wir uns traurig Mamas Kleidung an. Ich probierte ein Teil an und es passte. Also nahm ich einen Teil ihrer Anziehsachen mit, der mir gefiel. Ihre Lieblingsjacke. Schuhe. Kleider. Sie trug gerne Kleider und hatte Geschmack. Alice entging es nicht. Sie sprach mich darauf an, aber ich wusste nicht warum ich die Kleidung tragen wollte.

Jetzt sind mehrere Monate vergangen. 

Mein Bruder Quinn heiratete vor wenigen Jahren Judith Ward und nahm ihren Namen an. Er ist Koch und hat mit ihr Tochter Kate. Zu Dritt leben sie in Del Sol Valley.


Mein Bruder Adrien lebt bei Papa auf Sulani und hat seine Jugendliebe Wilma Parata geheiratet. Sie ist eine Meerjungfrau und liebt wie  er das Meer. Beide sind Taucher vom Beruf. Vorerst wollen beide keine Kinder haben.


Zoey ist immer noch an der Uni.


Meine gleichaltrige Schwester Diva lebt heute in San Myshuno und ist mit Akira Kibo verheiratet. Sie ist Schauspielerin. Beide wollen keine Kinder, weil sie ihre Arbeit und Reisen vorziehen.


Candy nahm Papas Namen an. Sie ist die direkte Nachbarin von Diva und Köchin. Auch hier sind keine Kinder in Planung. Ihr neuer Haarschnitt schockt mich. Sie hatte immer so wunderschöne blonde lange Haare. Aber als Köchin sind sie störend.


Hänsel und Gretel haben inzwischen Mamas Verlust etwas verarbeitet. Sie leben mit Liberty und Alice in San Myshuno. Gretel hat viele Verehrer, wie ich damals gemerkt habe.


Und was wurde nun aus mir selbst? Ich meldete mich bei Britechester für das Computerstudium an. Aber ich ertrage noch kein Unileben nach Mamas Tod und wohne alleine in Willow Creek. Die Nachbarn sind nett. Und sie kennen meine Geschichte nicht. Vielleicht schaffe ich mir einen Hund an. Viele Männer halten mich für eine attraktive Italienerin. Was nur zur Hälfte stimmt.











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