Prolog Familie Forze

 Emilia Forze

Mein Name ist Emilia Forze und bin mehrere Jahrhunderte alt. Wie man daraus schließen kann, bin ich eine Vamp. Aber das war nicht immer so. Viele kennen den Zerfall des römischen Reiches nur aus dem Geschichtsbuch. Ich wurde in der Zeit geboren und war ein Mensch. 

Meine Eltern wurden in Rom geboren und hatten eine Winzerei in der Nähe von Rom gekauft. Die Sklaven kümmerten sich mit meinen Eltern um den Haushalt, Weintraubenernte und die Verarbeitung der Weintrauben zu Wein. Meine Schwestern und ich waren sogar mit jüngeren Sklaven befreundet und brachten ihnen Lesen und Schreiben bei. Unter den Augen meiner Eltern. Sie wollten keine dummen Sklaven haben. In ihren Augen haben auch diese Bildung verdient.

Sie waren gute Menschen und behandelten ihre Sklaven wie Freunde all die Jahre. Selbst wenn sie mal Fehler machten, wurden meine Eltern nicht böse und verteidigten sie vor den anderen Römern, die die Sklaven bestraft sehen wollten. In den Augen meiner Eltern waren sie normale Menschen, die auch nur Fehler machen. Keine Gegenstände, wie die meisten sie aber sahen. 

Mit ihrer Haltung machten sie sich auch viele Feinde in der Gesellschaft. Und wir hörten von Überfällen von ehemaligen Sklaven aus schlechten Haushalten. Sie überfielen alles, wo sich Sklaven in Not befinden und befreiten sie. 

Dazu kamen immer wieder Geschichten, dass das Römische Reich immer mehr an Macht verliere. Die Grenzen zu den feindlichen Gebieten verschoben sich zusehends nach Richtung Italien. Sämtliche Völker eroberten ihre Gebiete zurück und die römische Armee konnte nur noch hilflos zusehen. Dazu kam der Aufstand der Sklaven. Überall im Römischen Reich musste man Angst haben, dass sie kommen und alles niederbrennen. 

Aber am Ende waren nicht die Sklaven unser Problem. Sondern die Gesellschaft. Eines Tages wurden meine Eltern von römischen Soldaten in Haft genommen, weil ihr Wein vergiftet war und der Vorkoster des Kaisers daran verstarb. Sie wurden den Löwen nackt und nur mit einem Speer bewaffnet zum Fraß vorgeworfen. Ich will nicht wissen, wie sie am Ende gelitten haben müssen. Oder schon tot waren, als man sie fraß.

Durch Freunde erfuhren wir, dass man unsere Winzerei beschlagnahmen wollte und dann neue Eigentümer kommen würden. Meine ältere Schwester gab den Sklaven die Freiheit, aber sie wollten unsere Familie beschützen mit allen Mitteln. Auch Waffen würden sie dafür in die Hand nehmen. 

"Warum zerstören wir nicht die Reben und das ganze Anwesen?", schlug meine jüngere Schwester vor. 

Alle schauten sie entsetzt an, weil sie noch so simpel als Kind dachte. Die Erwachsenen schauten sich an und überlegten. Am nächsten Morgen sollte das Militär meine Schwestern und mich auf dem Sklavenmarkt bringen und als Sklaven verkaufen. Keine von uns wollte so enden.

"Machen wir es so. Sklaven, zündet alle Reben an und verseucht den Erdboden. Wir Frauen und Kinder packen ein paar Kleidungsstücke, Geld und Wertgegenstände auf mehrere Wägen", befahl meine Schwester. 

Als wir alle in mehreren Wägen losfuhren, sahen wir ein Inferno. Unsere Felder und das gesamte Anwesen in Flammen. Nichts verschonten die Flammen. Gar nichts. Nicht mal die Ölgetränkten Wände. Unterwegs teilten wir uns alle vorsichtshalber auf. Die Sklaven bekamen als Dank für ihre Dienste Geld und wertvolle Gegenstände. Wir Geschwister und zwei männliche Sklaven reisten in den umkämpften Norden. 

"Emilia, alles wird gut", sagte meine ältere Schwester Letizia und streichelte mir den Kopf, während ich bitter weinte. 

Irgendwann fanden wir ein neues zu Hause. Letizia heiratete einen Franken und dieser nahm uns wie eine eigene Familie auf. Unsere Sklaven bekamen unser restliches Geld und alles, was auf dem Wagen war. Damit konnten sie sich etwas im befreiten Frankenreich aufbauen. 

Wir wurden älter und hörten immer öfters, dass Rom kurz vor dem Fallen war. Viele Römer flohen in die Gebiete um Rom und suchten dort Schutz vor den anderen Völkern. Aber der Kaiser war hartherzig und ließ sie nicht mehr in Rom rein. Er wollte seine letzte Festung nicht verlieren. 

Eines Tages kam ein früherer Sklave namens Merzium zu uns. Er berichtete, dass die Soldaten lange über den zerstörerischen Brand geredet haben und die neuen Winzer bei Null anfangen mussten. Keine einzige Pflanze hatte es überlebt. Ihre Weine schmecken furchtbar und die Leute werden davon immer krank. 

Ich wurde eine wunderschöne Frau und war beliebt in dem Dorf, wo ich lebte. Alle Männer in meinem Alter schauten mir hinterher und Letizia wurde neidisch auf mich. Sogar mein Schwager war leicht in mich verliebt und ich konnte es nicht verhindern.

Eines Tages war ich auf dem Heimweg vom Dorf, als ein Wagen anhielt und mehrere Männer mich reinzerrten. Ich versuchte mich zu wehren, aber zwei von ihnen hielten mich an den Händen und Füßen fest. Die anderen Männer rissen mir die Kleidung vom Leib. Der Anführer untersuchte mich mit einer Lupe und sagte:

"Sie ist perfekt als Opfer für den Teufel auf dem Friedhof."

"Wenn du ruhig bleibst und alles mit dir machen lässt, wird der Teufel dein Leben verschonen und dich zu seiner Braut machen. Dafür muss ich dich aber reinigen und dir neue Kleidung geben", sagte der Anführer der Gruppe und ich nickte ängstlich.

Ich wusste, dass man nach mir suchen wird. Ganz sicher. 

Der Wagen hielt vor einer Bruchbude. Aber von Innen war sie schick ausgestattet mit sehr viel Luxus. Anscheinend ist die Außenfassade nur ein Schutzmittel gegen Diebe und Einbrecher. 

Der Waschraum war riesig und ich wurde auf einem Hocker in der Mitte des Raumes gestellt. Man schüttete einen kalten Eimer über mich aus und dann kamen zwei Frauen. Sie wuschen meine Haare. Meinen Körper. Rasierten meinen Rücken, Oberkörper, unter den Achseln und Gesicht, damit meine Haut mehr Glanz bekam. 

Dann wurde es unangenehm. Es wurde ein Stuhl hereingeschoben, wo man den Rücken nach hinten kippen kann und die Beine auf Stützen abgelegt werden. Ich setzte mich rauf und war erschrocken, als man mich nach hinten kippte. Ein Mann kam in einer Kutte rein und untersuchte mich auf Jungfräulichkeit. Es war so peinlich, aber damals normal. Er ging sogar mit zwei Fingern in meine Scheide rein und ließ mich einen Orgasmus kriegen. Er überprüfte meine Flüssigkeit und roch daran. 

"Das ist in Ordnung. Macht weiter", sagte er.

Sie schäumten meine Beine und Schamhaare ein, bevor sie die Haare wegrasierten. Dann kippte man den Stuhl nach vorne und ich nahm meine Beine von den Stützen. Ich sollte Aufstehen und die Frauen strichen mir vorsichtig über den ganzen Körper und zwischen den Beinen. Zwischendurch wurde nachrasiert, weil man noch ein paar Babyhaare fand. Dann holten sie mehrere Eimer mit warmen Wasser und befreiten mich damit vom restlichen Seifenschaum. 

Eine dritte Frau brachte Handtücher und ich wurde darin eingewickelt. Dann gingen wir in einem separaten Raum und ich musste mich auf einem Stuhl setzen. Darin waren wunderschöne Kleider, aber überwiegend Lingerie und Schuhe. 

Auf dem Tisch vor mir war Schminke und Zubehör zum Schminken. Dazu Sachen, die man zum Anfertigen der Schminke braucht. Ein Mann kam mit Schere und Kamm herein. 

"Ich muss deinen Haaren den letzten Schliff verpassen", sagte dieser.

Ich schloss die Augen und fühlte, wie er an meinen Haaren rumschnitt und ich hörte seine Schritte, wenn er um mich herumschlich und seine Inspiration suchte. 

"Ich bin fertig mit Schneiden", sagte er und ich öffnete meine Augen. 

Mein Schnitt hatte etwas verführerisches bekommen und die Männer wurden rot, als sie mich sahen. Der Barbier machte eine Hochsteckfrisur daraus und eine der Frauen fing an, mich zu Schminken. Ich habe mich zu der Zeit noch nie geschminkt. Sie trugen vorsichtig die Schminke auf, damit meine reine Haut nicht zerkratzt wird. 

Dann brachten sie mir Unterwäsche und ein seltsames Kleidungsstück. Damals war diese Mode noch nicht in meinem Dorf angekommen und ich hatte Angst, es wäre gefährlich. Aber das Kleidungsstück war bequem. Heute würde man es als einen durchsichtigen Bademantel bezeichnen, aber damals war diese Mode noch nicht so verbreitet. 

Als ich angezogen war, wurde ich zu meinen Entführern gebracht. Sie liefen rot an und verfielen mir sofort. Einer der Männer kam zu mir und sagte:

"Folge uns."

Wir gingen auf dem Friedhof und ich fühlte mich so unwohl in meiner Haut. Als wären überall Augen, die mich beobachten. Ich hörte Getuschel aus dem Schatten und sah aber keinem. Dann musste ich mich in einem Kreis stellen und eine Fledermaus erschien aus dem Bäumen.

"Teufel, hier ist euer neues Weib", sagte der Anführer und alle Männer verbeugten sich vor der Fledermaus. 

Im nächsten Moment stand ein attraktiver Mann vor mir und schrie:

"Lasst mich mit meinem Weib alleine."

Die Stimmen verstummten und dann waren wir alleine. Er musterte mich und nahm mein Gesicht zwischen seinen Fingern. 

"Als einfache Vamp bist du zu hübsch. Ich suche schon lange eine Partnerin, die außergewöhnlich ist. So wie du. Ich spüre, wie du Angst hast, aber ich werde dir alles bieten, was du willst. Unsterblichkeit. Ewige Schönheit. Ruhm. Ehre", sagte er verschwörerisch.

Ich war nicht glücklich mit meinem Schicksal, aber was blieb mir am Ende? 

"Mach mich einfach unsterblich", sagte ich zu ihm.

Er biss mir in den Hals und nahm mich bewusstlos in seine Burg mit. 

Drei Tage später erwachte ich im Sarg und fühlte mich anders. Graziös erhob ich mich aus meinem Bett und er hielt meine Hand, als ich ausstieg.

"Mein Engel. Ab sofort bist du meine persönliche Vamp. Ich bringe dir alles bei, was du wissen musst", sagte er. 

30 Jahre später war ich so weit, dass ich nach draußen konnte ohne zu Verbrennen. Als Erstes ging ich zum Haus meiner Schwestern und klopfte an. Niemand öffnete und ich klopfte erneut. Vorsichtig ging ich ums Haus und sah, dass alles verwildert und verlassen war. Ich schaute durch die Fenster und sah nur abgedeckte Möbel. 

Dann berührte jemand meine Schulter und die alte Frau fragte mich:

"Wem suchen Sie, mein Kind?"

"Ich suche eine Frau namens Letizia und ihre Familie", antwortete ich.

"Ich war damals ihr Dienstmädchen und lebte mit ihnen hier. Aber vor 10 Jahren verstarb Frau Letizias jüngste Schwester an einer Krankheit und sie war mit den Kindern alleine. Ihre andere Schwester war schon lange fort. Verschleppt von Fremden. Ihr Mann ließ überall nach ihr suchen, aber niemand hatte sie seitdem gesehen. Ihr Mann verstarb vor 20 Jahren über Nacht wegen Herzproblemen. Frau Letizia war am Ende und zog von hier weg. Wenn ich mich Sie so anschaue, sehen Sie wie Frau Emilia aus", sagte die alte Frau. 

"Ich bin die Tochter von Frau Emilia. Meine Mutter geriet in Händen von Händlern und fand in ihrem Herrn den besten Ehemann. Mama erzählte mir viel von diesem Ort und ihrer damaligen Familie. Wo liegen die Gebeine der Familie?", fragte ich sie. 

"Auf dem örtlichen Friedhof", antwortete die Alte und ging weiter ihren Weg.

Ich ging zum Friedhof und pflückte unterwegs ein paar Blumen. Als ich das Grab der Familie meiner Schwester fand, kniete ich mich hin und betete für ihre Seelen. Dann redete ich mit meiner toten Schwester und ging wieder. Auf dem Rückweg traf ich einen alten Priester und dieser erkannte sofort, wer ich bin. 

 "Frau Emilia Forze. Es ist schon viele Jahre her, wo ich Sie gesehen habe und noch immer sind Sie eine Schönheit. Wie es scheint, geht es Ihnen so weit gut und der Teufel scheint ein guter Mann zu sein, wenn er Sie rauslässt", sagte dieser mit kühlen Blick. 

Ich erkannte die Stimme als den Anführer meiner Entführer. Schweigend ging ich weg und verließ für immer das Gebiet. Denn hier hatte ich niemanden mehr, der mir etwas bedeutet. 

So erlebte ich mit meinem Mann in den folgenden Jahrhunderten Kriege, Seuche und Elend der Menschen. Zu meinen Verwandten menschlicher Seite habe ich leider nie den Kontakt gefunden und frage mich, ob es noch Nachkommen von Letizia gibt. Wenn überhaupt. 

Ich besuchte 200 Jahre später das Dorf und es war nicht mehr da. Aus den Häusern und dem Dorfmarkt waren nach so vielen Jahren Ruinen geworden und nur wenig übrig von der einstigen Idylle. Von den Menschen, die dort lebten. 

Dann ist da noch das Haus, in dem wir lebten. Es stand noch und ich ging rein. Die Natur hatte sich ihr Gebiet zurückerobert. Die Ställe waren schon lange fort, da sie aus Holz waren. Aber das Haus war aus Stein und stand noch. Ich ging durch die Räume und hörte das Lachen, was hier einst herrschte. Das Klappern der Teller. Ich erinnerte mich an die pompöse Hochzeit von Letizia. Alle tanzten. Sogar die Dienerschaft durfte mitfeiern, wenn sie Pause hatten. Dann herrschte wieder Stille und ich stand in einem langsam, zerfallenden Haus. Ich entdeckte alte Tontafeln, die bereits sehr wertvoll für Sammler waren. Darin wurde die Abreise von meiner Schwester geplant. Und wohin sie wollte. Ich nahm sie mit und saugte nochmal die Erinnerungen auf, die in dem Haus herrschten. 

Das Grab von meiner Schwester war schwer bei den Ruinen vom Friedhof zu finden. Viele Gräber waren von der Natur überwachsen worden und die Grabsteine zerfallen. Außer die Grabsteine der Reichen. Ich entdeckte das Grab und sprach mit ihr. Dann erinnerte ich mich daran, wie ich meinem Entführer begegnet bin, der ein Geistlicher war. 

Ich verfolgte die Spuren meiner Schwester und ihrer Nachkommen bis ins Mittelalter sogar. Ich hatte ja Zeit.

Aber ab dem Mittelalter fing man an, Vampire zu jagen. Vorher wurde man angehimmelt als besondere Kreatur, jetzt war man eine Art Krankheit für die Menschen geworden. Wobei sich Vampire schon immer ruhig verhielten und sich nur Blut holten, wenn sie Hunger hatten. Wir haben nie Dörfer abgebrannt. Wobei doch. Eine Randgruppe von Vampiren. Die Strauds. Aber die meisten Vampire sind friedliche Wesen und wollen nur im Einklang mit den anderen Lebensformen leben. Leider sind die Vampire dabei fast ausgestorben. Nur fast. Ich konnte mit anderen wenigen Familien überleben.

Bei der Vampirjagd verlor ich meinen geliebten Mann im Mittelalter. Ich war verzweifelt und musste danach immer wieder die Wohnorte wechseln, um nicht aufzufallen. 

1810 lernte ich einen jungen Arzt kennen, der sich gerade erst verlobt hatte. Joseph Klein war freundlich und charmant. Ich war nur eine Schneiderin und Modedesignerin in dieser Epoche. Aber sehr erfolgreich. Er kam gerne in meinem Laden und bestellte dort seine Anzüge nach Maß. 

Ich nahm sogar ein selbstentwickeltes Medikament, was mir erlaubt, auch Menschenessen zu essen ohne gleich krank zu werden. Das verbesserte meine Tarnung noch mehr. 

Er war sehr angetan von mir und ich von ihm. Seit 300 Jahren war ich nicht mehr verliebt und mir fiel die Arbeit immer schwer, wenn er in der Nähe war. Eines Tages kam seine Verlobte mit und ihr gefiel mein Anblick nicht. Eine Schönheit, die sich ihrem Mann nähert. Aber ich blieb freundlich und distanziert zu ihr, als sie mich beleidigte. Ihr Verlobter stellte sich vor mir und sagte, wir hätten nur ein berufliches Verhältnis.

"Ich sehe es deinen Augen an. Du liebst sie über alles. Ich verlasse dich und mache dich bei meiner und deiner Familie schlecht", sagte sie und warf den Verlobungsring vor seinen Füßen. 

Am Ende heirateten wir und 1870 verstarb er im einen stolzen Alter von 89 Jahren. Ich war immer noch jung und schön. Wir hatten sogar eine Tochter bekommen, die ein Mensch wurde und auch irgendwann kinderlos verstarb.

1990 lernte ich einen Rapper kennen, als ich in Amerika einwanderte. Davor war ich irgendwie überall mit den unterschiedlichsten Berufen. Wir wurden ein Paar und waren glücklich zusammen. Aber er wurde von einem Verbrecher auf offener Straße erschossen. 

Jetzt lebe ich in Forgotten Hollow in einem Geisterhaus. Tut ja auch nicht jeder. Was ich jetzt mache weiß ich noch nicht. Aber hier muss ich nicht mehr umziehen, weil alle Bewohner Vampire sind. 






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