Kapitel 15

Zu männlich

Catalina

Aaron verstarb noch während meiner Schwangerschaft und da es keinen Angehörigen gab, wurde ich die Alleinerbin seines Vermögens. Er hatte sogar sein Testament so verändert, dass ich eh alles bekommen hätte. So wurde ich alleinerziehend und musste die Uni nach der Geburt von Tochter Taiga pausieren lassen. In der Nähe habe ich keine Verwandten, die auf meiner Tochter aufpassen können. Und ein Sitter wäre nicht billig. Also wollte ich die wenigen Kleinkindjahre nicht verpassen und bei ihr sein. Denn ein Kind bleibt nicht ewig klein und treu. Und die Uni läuft auch nicht weg. Ich kann jederzeit wieder einsteigen, muss aber dafür Kurse besuchen, um mein Wissen aufzufrischen.

Und die Zeit war schön. Ich brachte meiner Tochter alles bei, was ich ihr beibringen konnte. Reiste mit ihr zu Verwandten gelegentlich und genoß jede Minute. Dank des Geldes von Aaron und meiner verstorbenen Mutter konnte ich mir diesen Lebensstil leisten. Sonst hätte ich arbeiten gehen müssen, um uns das Tinyhaus zu finanzieren. 


Taiga war nicht wie andere Mädchen. Sie mochte sehr früh lieber Jungsspielzeug und spielte bereits im Kindergarten lieber mit den Jungs als mit den Mädchen. Auch Mädchenkleidung mag sie nicht so sehr oder Barbies. Im Matsch Fußball spielen oder mal Ringen mit Jungs macht ihr einfach mehr Spaß als über Mode zu reden oder sich zu Schminken. Ich wurde sogar wegen dieser Auffälligkeit von der besorgten Kindergärtnerin angesprochen. Taiga würde sich nie wie ein Mädchen verhalten und lieber Jungssachen machen. Dabei bin ich doch so "feminin". Wenn sie wüsste. Taiga kommt nach mir. 

Natürlich kam sofort ihre Klassenlehrerin auf mich zu und fand ihr Verhalten besorgniserregend. In den Pausen klettert sie wie ein Äffchen auf Bäumen mit den Jungs und lacht über die Sorgen der Erwachsenen. Mir macht es natürlich auch Sorgen, aber ich bin der Meinung, aus Fehlern lernt man. Wenn sie sich einmal einen Arm bricht, weil sie dumm fällt, lernt sie daraus. Ich überbehüte sie nicht wie andere Eltern. Meinem Kind vertraue ich blind und will sie nicht kontrollieren. Macht sie mal Mist, gibt es natürlich Stress zu Hause. Und sie zu verändern finde ich nicht gut. Sie soll sich selbst verändern. Außerdem wird sie mit den Frauenfragen kommen, wenn sie sich in einem Jungen verliebt. Wenn sie älter sein wird. 

Und sie mag nicht die typischen Haustiere. Als ich ihr ein Haustier aus dem Tierheim holen wollte, blieb sie bei den Ratten und Mäusen stehen. Katzen und Hunde hat irgendwie jeder. Aber wer hat schon eine Maus oder eine Ratte aus der Zucht? Kaum einer. 


Und sie ist ein sehr aktives Kind. Der PC oder der Fernseher reizen sie nicht mal. Am liebsten spielt sie nur draußen rum. Aber sie darf trotzdem am Abend ihre Kinderserie schauen, wenn sie ihre Hausaufgaben fertig hat und fertig mit Essen ist. 


Jetzt studiere ich wieder und schaffe deshalb auch nicht mehr richtig den Haushalt.


Taiga

Ich liebe Sport über alles und spiele gerne mit Jungs. Meine Lehrer sind in Panik, weil ich gerne auf Bäume mit den Jungs kletter und mich schmutzig mache. Weil es ein anständiges Mädchen nicht macht. Aber Röcker und Kleider sind so unpraktisch. Damit kann man kein Fußball spielen oder Rumklettern. Schminke ist am schlimmsten. 


Mama ist superstark. Sie hat sogar einen Einbrecher, der viel schwerer war als sie und dazu bewaffnet, in wenigen Minuten niedergestreckt hat. Keiner glaubt mir die Geschichte, dass meine Mama einen Mann mit mehr als dem eigenen Körpergewicht besiegt hat. Mama geht sogar in eine Kampfschule, um sich fit zu halten. Sie ist meine heimliche Heldin. Aber ihre Statur ist einfach täuschend.


Ich darf immer nach den Hausaufgaben kurz Fernseher schauen, wenn es draußen dunkel ist. Dann haben wir ein Ritual, was eine halbe Stunde dauert. Man macht sich zu Bett fertig. Mama liest mir im Bett etwas vor und ich schlafe ein. 


Mama ernährt uns auch gesund. Aber mich nervt es manchmal, dass wir fast nur Vegetarisch essen und gelegentlich Fleisch. Meine Freunde haben jeden Abend dicke Steaks auf dem Teller oder bekommen Nutellabrot. Mama sagt immer, eines Tages rächt sich diese Gewohnheit. Sie werden dick werden, weil sie gesundes Essen nicht gewohnt sind. Viele meiner Klassenkameraden hassen sogar das Gemüse in der Kantine. Sie essen dafür gerne das Fleisch vom Teller. Vielleicht noch Kartoffel. Aber alles andere wandert immer in die Mülltonne. Ich mag das komplette Gemüse, weil es lecker ist. Und ich bin es auch gewohnt, nur Gemüse zu essen. 




Mama trainiert viel. Und viele Mütter beneiden sie um ihr Aussehen. Die männlichen Lehrer und Väter der Mitschüler gaffen sie immer an. Oder geben peinliche Sprüche selbst in der Gegenwart der Ehefrau von sich. Mama nervt es, indem sie mit ihrer linken Augenbraue immer zuckt. Aber sie sagt nichts, weil keinen fürs Gaffen verprügeln möchte. Beim letzten Elternsprechtag gaffte mein Klassenlehrer ihr sogar nur auf die Brüste und sabberte dabei, während er sprach. Mama schloss die Augen und stellte sich wahrscheinlich vor, wie sie ihm eins auf die Nase gibt.  


Ich lerne wie Mama ganz viel. Deshalb hat sie weniger Zeit für mich. Aber ich habe ja meine Freunde, mit denen ich etwas machen kann.


Mama zeigte mir auch, wie man die Waschmaschine bedient. Ich darf noch kein Waschmittel einführen. Aber ich darf die Wäsche nach Sachen durchsuchen, die kaputtgehen können. Finde ich Geld, was sie mal in einer Tasche vergessen hat, darf ich das in mein Sparschwein stecken für meine Zukunft. 
Und reintun darf ich auch die Wäsche. Dann kann ich noch die Spülmaschine bedienen. Mama zeigte mir, wie man sie mit einem Tab füllt, wenn sie voll ist. Und welches Programm für was ist. Beim Kochen darf ich auch helfen. Ich darf immer das Obst und Gemüse schneiden. Beim Backen packe ich auch mit leichten Aufgaben an.
Meine Lehrerin war empört darüber, dass ich alleine sowas kann. Dafür sind doch die Mütter da. Und die Väter sollten das Geld reinbringen. Aber Papa lebte bereits bei meiner Geburt nicht mehr. Ich kenne ihn nur von Bildern und von Mamas Erzählungen. Wenn Mama über ihm redet, wird sie immer traurig. Sie zeigte mir ein altes Foto aus Papas Jugend. Er hatte Frau und Kind wegen Probleme in der Schwangerschaft verloren. Alleine das macht mich sehr traurig. Wie wäre heute meine verstorbene Schwester? Hätte sie Familie? Solche Fragen eben. Aber keiner kann sie beantworten.


Letztens entdeckte ich beim Aufräumen mit Mama Smarties. Sie waren bunt und da waren Smileys drauf. Warum versteckt jemand sowas so gut? 

Ich nahm die in die Schule mit und teilte sie mit der Klasse. Dann wurde uns allen schlecht und wir mussten ins Krankenhaus. Es kam das Jugendamt und wollte wissen, woher ich die alten Smarties herhatte. Ich erzählte, dass sie in  Papas Sachen waren. Und die Polizei wusste auch, dass Papa wegen den Smarties verstorben war. Trotzdem stand Mama anfangs unter Verdacht, böse Smarties bei bösen Menschen zu kaufen. Aber der Verdacht konnte dank dem bösen Mann aufgehoben werden. 

Mama schimpfte mit mir sauer und gab mir vier Monate Hausarrest. Dazu spricht keiner mehr mit mir aus der Klasse. Auch meine Freunde nicht. Ich wusste doch nicht, dass es böse Smarties waren. 😭Hoffentlich mögen mich irgendwann wieder meine Freunde.

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