Kapitel 4

 Wenige Monate später

Robin begann den viele Jahre älteren Clubbesitzer Uwe Tomax zu daten. Und keiner der Kollegen fand das komisch. Sie freuten sich sogar, ihren alten Chef mal wieder glücklich zu sehen. Vor allem die langjährigen Mitarbeiter. Seit dem Tod seiner Frau war er nur unglücklich und kurz davor, sich zu Tode zu arbeiten. Aber Robin brachte den alten Mann zum Lachen und er war immer gut gelaunt. 

Tochter Vivien kam zur Welt und kam eine Zeit lang zur Arbeit mit, weil sich für abends kein Sitter fand.

Vier Jahre später

Uwe und Robin wurden ein Paar und er zog bei ihr ein. Für Vivien war er ein guter Vater, der sie liebte.

Zwei Jahre später

Robin und Uwe wurden Eltern von Tochter Wesley.

Drei Jahre später

Uwe und Robin haben im Club geheiratet und Vivien sang für ihre Eltern deren Lieblingslied. Dabei lernte sie ihren Opa kennen, der sich erst kürzlich mit ihrer Mutter versöhnt hatte. Und ihre Tante Nivae.

Sechs Jahre später

Sohn Xanten kam zur Welt und man zog nach Newcrest. Robin war mittlerweile eine berühmte und erfolgreiche Sängerin, die durch die Welt reiste und auf den größten Bühnen stand. 

Gegenwart, Drei Jahre später

Vivien

Unsere Familie war so glücklich. Papa schaute nachdenklich meinen Geschwistern hinterher und sagte zu mir:

"Ich muss nur kurz in den Club. Dort habe ich einen Termin. Kannst du auf deine Geschwister aufpassen?"

"Natürlich", sagte ich.

Etwas war komisch an seiner Reaktion. Ich wusste nicht was. Er wirkte verwirrt und abwesend. Seit einem halben Jahr war der Laden geschlossen, weil es ihm gesundheitlich nicht mehr gut ging. Ich soll den Laden jetzt sogar übernehmen. Aber ich fühle mich nicht bereit dazu. Obwohl ich seit zwei Jahren dort aushelfe und singe, bin ich mit der neuen Situation überfordert.

Zumindest ging er und ließ uns zurück. Die Kleinen wussten nicht, dass sie ihren Papa zum letzten Mal sehen werden. Lebendig.

Uwe Tomax

Ich bekam einen seltsamen Anruf von meiner Frau. Wir würden uns im Club treffen. Aber sie war doch mit dem Flugzeug unterwegs. Vielleicht konnte sie ja einen Flug früher mit der Band nehmen und wartete dort wirklich auf mich. Auf Vivien ist zumindest Verlass, wenn sie die Kleinen sittet. 

Vor der Türe hörte ich unser Lied. Unser erstes Lied, was wir gemeinsam geschrieben haben. Ich saß am Klavier und sie sang dazu. Von der Aufnahme weiß doch keiner. Warum spielte sie dann im Salon?

Ich öffnete den Salon und sah niemanden. Nur die Anlage spielte unser Lied und es war eine Kälte darin. Wie immer standen die Stühle auf den Tischen und die Bar war mit einem Staubschutz bedeckt. Immerhin sollen die Gläser sauber bleiben.

"Robin? Komm aus deinem Versteck. Du musst doch hier sein. Das spüre ich einfach", rief ich in dem Raum.

Das Lied verstummte und auf einmal ertönte aus den Lautsprechern ihre Stimme mit Todesschreie im Hintergrund:

"Schatz, ich bin hier und doch nicht hier. Mein Flugzeug ist abgestürzt und mich umgibt eine eisige Kälte. Mein Körper ist starr vor Kälte und die Nässe lähmt mich auch. Wenn du dies hörst, bin ich bereits Tod. Bitte sag den Kindern, dass ich sie über alles liebe. Und dich auch."

Es hörte auf und Stille kam in den Raum. Meine Tränen durchbrachen diese Ruhe und ich rief mit Panik den Flughafen an. Ich erzählte nur, dass mich meine Frau panisch angerufen hätte und meinte, es gäbe Probleme mit dem Flugzeug über dem eisigen Meer. Sie versuchten mich damit zu beruhigen, dass sie bereits das vermisste Flugzeug suchten. Ich wäre nicht der erste Anrufer wegen diesem Flug, der einfach nicht ankommt. Sie wollten sich melden, wenn sie etwas herausfinden und legten auf.

Mein Herz schmerzte aus dem Nichts und ich bekam keine Luft mehr. Sprechen konnte ich auch nicht und keine Hilfe holen. Ich brach mit einem Infarkt wortwörtlich zusammen und dann wurde mir schwarz.

"Schatz, wach auf", hörte ich eine vertraute Stimme und kam auf die Beine. 

Vor mir stand meine Frau. Sie war klitschnass und sah erfroren aus. Ihr Lächeln erfreute mich und ich umarmte sie. Dann schaute ich runter und sah meine Leiche.

"Wer soll sich jetzt um die Kinder kümmern?", fragte ich panisch.

"Vertraue deiner Tochter. Sie kümmert sich schon um sie", sagte Robin und umarmte mich.

Dann machte sie wieder die Anlage an mit unserem Lied. Wir hörten die Türe und sahen, wie Vivien in den Raum rannte.

Vivien

Papa kam nicht nach Hause und ich bestellte einen Sitter für meine Geschwister. Ich fuhr mit dem Wagen zum Club und sah seinen dort noch stehen. Als ich merkte, dass nicht abgeschlossen war, ging ich rein. Niemand reagierte auf meine Rufe und ich hörte Mamas Gesang aus dem Salon. Aus dem Nichts.

Ich ging hin und sah Papa auf dem Boden liegen. Sofort rannte ich los und spürte eine eisige Kälte. Ich fühlte mich so, als würde ich im Eiswasser ertrinken und erfrieren. Papa fühlte sich kalt und mir rannen Tränen übers Gesicht. Er war einfach umgefallen und sofort verstorben. Etwas musste ihn zu Tode erschreckt haben. 

Ich schmeckte die salzige Luft und schaute auf die Bühne, die beleuchtet wurde. Weinend stand ich auf und sah, wie auf einmal das Klavier von alleine spielte. In Papas Stil. Er erschien in seinen jungen Jahren und Mama stand daneben in ihrem Kleid, womit sie erfolgreich wurde. Sie sang ihr Lied. Das Lied, was keiner außer mir und ihnen kannte. Mama sah wieder wie die wunderschöne Göttin des Jazz aus. Es war ihr Abschiedslied, was ich niemals vergessen werde.

Mir liefen die Tränen übers Gesicht und ich musste mich auf den Boden hinsetzen. Ich weiß nicht, wie lange ich nach dem Lied dort kauerte und weinte, aber ein Smartphone holte mich aus der Trance. Es war Papas Gerät und der Anrufer war eine unbekannte Nummer. 

Ich nahm an und erfuhr, dass Mama mit dem Flugzeug gegen 6.00 Uhr morgens abgestürzt sei. Über ein Eismeer. Die Rettungskräfte fanden das Flugzeug erst vor wenigen Minuten. Hätte Papa nicht das Eismeer erwähnt, hätten sie dort als Letztes gesucht. Leider waren alle Insassen erfroren oder ertrunken. Oder beides. Sogar das Personal. Ich bedankte mich für die Info und fragte, wann ich Mamas Leiche identifizieren kann. Erst morgen wird es möglich sein, weil sie etwas Zeit brauchen, alles aus dem Flugzeugwrack zu bergen. Die Koffer, Privatsachen sowie die Leichen. Ihre Leiche würde man nach Bridgeport schicken, weil es der nächste Ort ist, der genug Platz hat. Ihre Sachen soll ich in den nächsten Tagen identifizieren und abholen. Was man ihr bereits zuordnen kann wird eingepackt in einem Karton. 

Dann legte ich auf und erinnerte mich an die schönen Zeiten mit ihr. 


Mama war sogar mit Ende 30 eine Schönheit. 


Ich suchte aus dem Gepäck und den Fundsachen von dem Wrack alles von Mama zusammen und packte sie in die Kiste, die mir die Flugbehörde gab. Sie teilten mir ihr Beileid mit. Aber das holt mir meine Eltern nicht wieder. Beide sind innerhalb weniger Stunden verstorben. Und Mama war noch jung. 

Ich packte ihr Gepäck und die Sachen in den Taxi. Ihre Leiche habe ich am Vortag erkannt und bitter geweint. Als ich erzählte, dass Papa ihr nur wenige Stunden später gefolgt sei, sagte keiner was in der Leichenhalle. Dort bekam ich ihre Kleidung und Privatsachen wie Schmuck zurück. 

Opa war am Boden zerstört auf ihrer Beerdigung und ich musste ihn in den Armen halten. Er war gerade mal 65 Jahre alt und wirkte Jahrzehnte nach der Geschichte gealtert. Keiner will sein Kind beerdigen. Niemand. Die Medien waren da verboten und sie fand nur im Familien- und Freundeskreis statt. Alle mussten unterschreiben, dass sie niemanden sagen, wo sie liegt. Oder wo mein berühmter Vater liegt. 

Manche sahen oder sehen in mir sogar Robin. Es wurde ein Foto sogar auf dem Grab angebracht, wo man sie in ihrer Blüte sieht. Wetterfest natürlich. Wesley verstand, was los war. Aber Xanten nicht. Er war verwirrt und verstand nicht, warum Mama und Papa nicht mehr heimkommen. Jetzt kümmere ich mich um den Club und die Geschwister. Mit 18 Jahren bin ich alt genug dafür.



 


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