Kapitel 7

 Lulu

Ich wohne mittlerweile in Japan und habe ein neues Ziel im Leben gefunden. Landwirtschaft ödete mich komplett an und deshalb wollte ich mich mehr auf meine sportliche Stärke spezialisieren. Also Berge ersteigen, Ski fahren, Joggen und so weiter. 

Sogar meine Morgenroutine wurde im Ausland anders. Da ich nicht mehr vom Hahn geweckt wurde, schlafe ich jetzt bis 8.00 Uhr aus, mache mich frisch, frühstücke und trinke meinen Tee zur Stärkung. 

Vorher musste ich um 5.00 Uhr aufstehen und war erst um 18.00 Uhr mit allem fertig in der Landwirtschaft. 

 


Vor dem Sport wärme ich mich immer im Spa auf. Nacktyoga stärkt meine Muskeln und gibt meine Energie frei. Aber ich habe noch nie so eine gelenkige Frau gesehen. Bei manchen Figuren bin ich zu ungeschickt und muss sie mehr üben, ohne blaue Flecken zu bekommen. 

 

Sogar Promis genießen hier ihre kleidungsfreie Zeit und bringen dann immer diese lästigen Fotografen mit. 

 

Bei der Sportmassage knackten alle meine Knochen, sobald man mich drehte und verrenkte.

"Wohl das erste Mal. Keine Sorge. Wenn man meine Massage öfters macht, wird man gelenkig und die Knochen sowie Muskeln gestärkt. Und es tut nicht mehr weh", erklärte sie. 

Knack. 

Aber es knackten Knochen, wo ich nicht mal wusste, dass ich welche habe. Und die Schmerzen danach waren furchtbar, aber irgendwie fühlte ich mich wirklich fitter und gelenkiger als vorher.


Und natürlich Nacktyoga. 


Als ich zum ersten Mal Ski fuhr, schrie ich vor Angst auf der Lernabfahrt. Und knallte natürlich auf den Hintern. Mensch, der Schnee kann aber schmerzen. Heute bin ich geschickter darin. 


Und das Klettern war noch schmerzhafter am Anfang. Nach jedem Tag des Trainings hatte ich Blutergüsse und Prellungen an stellen, die sehr schmerzhaft sind. Aber ich gebe nicht auf und will Mount Komorebi besteigen. Und manche Leute sind einfach nur schlecht ausgestattet fürs Klettern. Designerstiefel sind keine Kletterausrüstung am Ende. 


Meine blauen Flecken entspanne ich immer im Onsen. Gerade im Winter ist es sehr angenehm. Und so tiefenentspannend.


Leider stehen die männlichen Einwohner trotz Partnerschaften auf mich. Immer, wenn ich einsam und alleine meinen Drink schlürfe, werde ich rasch von mehreren Männern umgarnt. Natürlich merke ich sofort, was sie wollen und erinnere sie an ihre Pflichten als Ehemann. 


Im Tempel habe ich einen Wunsch notiert. Aber ich verrate ihn nicht. Sonst geht er nicht in Erfüllung. 


Als ich mal wieder Klettern üben war, eiferte mir einer meiner Verehrer nach.

"Ich bin besser als du", schrie er von oben und brauchte meine Hilfe, um wieder runterzukommen. 

Vor Panik sah er nicht, dass er sich hochziehen konnte. 


Dieser Manabu Ishida bat mich anschließend um ein Date und ich willigte ein, damit er mich endlich in Ruhe lässt. Ich spürte und roch, dass er ein kleines Alkoholproblem hat. Vor allem, wenn man morgens bereits nach Alk riecht aus jeder Pore. 

Aus Geisterhand waren wir in StrangerVille vor einer Bar und ich kam mir so vor, als würde es einen Geist geben, der alles lenkt. 

Zumindest trank er ununterbrochen Alkohol, während ich mir eine Cola gönnte. Bei so viel Alkohol musste er zum Glück irgendwann aufs Klo und ich seufzte. Wie komm ich nur aus dieser Nummer raus?

"Guten Tag, meine Dame. Ich bin ein General und auf der Suche nach einer Frau fürs Leben. Sollen wir uns nicht näher kennenlernen?", fragte der ältere Mann.

"Lass die Finger von meinem Date", knurrte Manabu sauer und wollte ihn schon ein reinhauen.

Ich zerrte ihn auf den Hocker neben mir und er stellte aggressiv klar, dass ich seine Freundin bin. Der General erhob beschwichtigend seine Hände und wusste wahrscheinlich aus Erfahrung, wie man mit solchen Menschen umgeht. Und ich wette, der alte Mann kann sich locker wehren, wenn es darauf ankommt. Man sah durch den Anzug, dass er sehr durchtrainiert war und einen Sixpack hatte. Manabu dagegen sah wie eine Flasche aus  und alles andere als sportlich. 

Ich zerrte ihn nach einer gefühlten Ewigkeit aus der Bar und sagte:

"Sorry, aus uns wird nichts. Du musst erstmal dein Leben in den Griff bekommen und vom Alkohol weg kommen. Bei dir habe ich Angst um mein Leben."

Er begann mit den Zähnen zu Knirschen und wollte mir eins Scheuern, aber eine Hand hielt diese in der Luft fest.

"So geht man nicht mit Damen um", sagte der General und warf ihn geschickt auf dem Boden. 

"Verpiss dich und lass sie in Ruhe. Wenn sie keinen Bock auf dich hat, musst du es akzeptieren. Sonst hole ich ein paar Kollegen und bringen dich zum Ausnüchtern in eine Zelle", sagte der General im einen strengen Ton. 

Ich sah Manabus Augen weiten vor Panik und er schrie:

"Ich gebe auf und melde mich nicht mehr. Jetzt geh runter von mir, du alter Sack!"

Er verdrehte ihm den Arm und Manabu schrie vor Schmerzen. 

"Können Sie bitte von mir runtergehen und mich gehen lassen?", fragte Manabu freundlicher.

Der Alte ließ ihn los und Manabu rannte panisch davon.

"Da kam ich ja zur richtigen Zeit. Solche kranke Typen sollte man nicht daten. Er muss einen Entzug machen. Dringend. Er roch sehr stark nach Alkohol. Und war sehr aggressiv. Ich glaube, wir passen nicht zusammen irgendwie. Sie kommen aus einem anderen Land und ich lebe hier. Dazu könnte ich doch locker der Vater von Ihnen sein", sagte der General.

"Da haben Sie recht. Danke für die Hilfe. Nach der Geschichte meldet sich der Alki hoffentlich nicht nochmal bei mir. Dann lege ich auf", sagte ich und teleportierte mich nach Hause.


Auch einige Tage später kam keine Nachricht von Manabu. Hoffentlich hat er seine Lektion gelernt. 


Dann reiste ich nach Amerika in eine psychiatrische Klinik. Die Behörden wurden vom Sohn vom Sektenanführer per Video über die Standorte benachrichtigt und er beichtete, seinen Vater getötet und das Konto geleert zu haben. Als Beweis soll er den Kopf in die Kamera gehalten haben. Leider ist der Sohn mit der Beute über alle Berge und die Anhänger kamen in mehreren Kliniken unter. Über 400 Menschen, Kinder mitgerechnet, waren seine Anhänger.

Die Kinder waren zum Glück unbeschadet körperlich und kamen zu Freunde und Verwandten der Eltern, bis diese eine stationäre Therapie beendet haben. Dazu mussten die Kinder selbst eine Therapie starten, um das Erlebte und Gesehene zu verarbeiten zu können. 

Der Agent von damals berichtete mir, dass man im Blut der Erwachsenen einen Drogenmischmasch fand. Auch bei meinen Eltern. Anscheinend haben die Drogen einen willig gemacht. Und Schaden angerichtet auf Dauer. Die Abhängigkeit kann man besiegen, aber manche leiden unter einem schlechten Gedächtnis, haben geistige Einschränkungen entwickelt, Muskelschwäche und erkennen nicht mal das alte Umfeld wieder. Wobei das Letzte noch das Harmloseste ist. Die Nebenwirkung wird jetzt noch untersucht, weil jeder anders reagierte. Kinder hatten keine Drogen intus, was mich beruhigte.

Jetzt saß ich mit Tante Becky, eigentlich Rebekka, und meinem Bruder Kitt im Besucherraum. Ich sah meine Eltern durch die Türe kommen und musste weinen. Sie sahen so anders aus. Abgemagert. Kaputt. Ihre Augen leer. Kitt sah schockiert aus und ging in die Spielecke. 

Meine Eltern setzten sich mir gegenüber hin und musterten mich. 

"Wer ist das, Becky?", fragte mein Vater meine Tante.

"Das ist eure Tochter Lulu. Erkennt sie nicht wieder?", antwortete Becky. 

"Leider nicht. Vieles in den Erinnerungen ist so wirr und verschwommen. Ich erinnere mich an ein älteres Kind als Kitt. Aber mehr nicht. Nicht mal an das Gesicht. All unsere Freunde erzählten uns von unserem alten Leben mit Haus und Job. Und zeigten uns Bilder von unserer Tochter. Aber ich habe dieses Gesicht rasch wieder vergessen. Wann kann ich nach Hause, Schwester?", erklärte meine Mutter.

"Vorerst nicht. Du bist noch lange nicht gesund. Und du hast dein Haus damals verkauft. Kitt lebt bei mir ganze Zeit schon. Der Arzt meint, ihr müsst mindestens noch ein Jahr hier bleiben, damit alle seelischen und körperlichen Folgen verheilt sind. Dazu muss man noch schauen, was die Drogen mit euch gemacht haben. Also die Erinnerungen sind defenitiv beschädigt", antwortete meine Tante.

Mama begann zu Weinen und fiel Papa in die Arme.

"Aber wir werden hier verrückt. Überall Leute mit psychischen Problemen und teilweise in Zwangsjacken. Das ist kein Ort für uns", sagte Papa klar und deutlich.

"Es geht leider nicht. Schaut euch nur im Spiegel an. So entlässt euch keiner", sagte Tante Becky und die Betreuerin zeigte auf die Uhr.

"Wir müssen gehen. Aber morgen kommt Molly", sagte Becky und wir Drei gingen.

Meine Eltern sackten in sich zusammen und sahen sehr hilflos aus. 

Es machte in mir ein komisches Gefühl. Aber hier waren sie gut aufgehoben und kamen wieder auf die Beine. Draußen könnten sie noch nicht überleben wie früher. Falls es jemals wieder wie früher gehen sollte.






 

 

 

 

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